Gingko biloba

 

Dieses Baumes Blatt, der von Osten

meinem Garten anvertraut,

gibt geheimen Sinn zu kosten,

wie’s den Wissenden erbaut.

 

Ist es ein lebendig Wesen,

das sich in sich selbst getrennt;

sind es zwei, die sich erlesen,

da man sie als eines kennt?

 

Solche Fragen zu erwiedern

fand ich wohl den rechten Sinn;

fehlst Du nicht an meinen Liedern,

da ich eins und doppelt bin.

(Goethe)

 

Faszination  „Ginko“ - Baum der Liebenden

 Goethe widmete dieses Gedicht Marianne von Willemer, der Suleike des „Westlichen Divan“. Im August 1814 begegnete Goethe Marianne das erste Mal in Wiesbaden. Im Jahr darauf ist Goethe erneut in Frankfurt und übersendet Marianne von dort ein Blatt des Ginko biloba mit einem Grußwort zur Gerbermühle, dem Landsitz der Willemers.

Einige Tage später treffen Goethe und Marianne in Heidelberg zusammen. Bei einem Spaziergang im Heidelberger Schlossgarten entdecken sie einen Ginko und es kommt zu einem Gespräch darüber. Inspiriert von der bemerkenswerten Form des Ginkoblattes entsteht danach dieses Gedicht Goethes – ein poetisches Symbol seiner Liebe zu Marianne von Willemer.

Faszination „Ginko“: Der Ginkobaum ist der letzte Vertreter einer 280 Millionen Jahren alten Pflanzensippe, er selbst existiert vielleicht 60 Millionen Jahre als „lebendes Fossil“. In Hiroshima überlebte er die Atombombe und in unseren Städten trotzt er der Luftverschmutzung.

Bestimmte Bäume, wie auch bestimmte Menschen, haben einen Lebensweg, der sich von der großen Masse ihresgleichen unterscheidet. Sie heben sich von den anderen ab und bieten Stoff für Erzählungen, während andere in der Anonymität leben und immer leben werden.

Im Pflanzenreich nimmt der Ginko diese Stellung ein.